
Bilanz und Ausblick
Am 24.2.2022 wurden Millionen Menschen aus dem Schlaf gerissen – Russland griff die Ukraine an. Womit damals kaum jemand rechnete: Mehr als 500 Tage später wüten immer noch Krieg und Gewalt. Leid, Angst und Tod gehören zum Alltag der Menschen in der Ukraine.
Die Zahl der Menschen, die auf humanitäre Hilfe angewiesen sind, ist innerhalb dieser Zeit von drei auf fast 18 Millionen gestiegen. Die Lage hat sich in vielen Regionen zugespitzt – durch die Zerstörung des Kachowka-Staudamms und Angriffe auf zivile Infrastruktur nimmt aktuell die Zahl der Menschen, die innerhalb des Landes vertrieben werden, wieder zu.
Noch am 24. Februar 2022 starteten der ORF und NACHBAR IN NOT einen Spendenaufruf. Die Unterstützung und Solidarität der Österreicher*innen war bespiellos: Sie spendeten 56 Millionen Euro innerhalb von eineinhalb Jahren. Die Bundesregierung verdoppelte im Frühjahr 2022 die Spendensumme mit Mitteln aus dem Auslandskatastrophenfonds in der Höhe von 41,96 Millionen Euro. So ergibt sich eine bisherige Gesamtspendensumme von 98 Millionen Euro für die Hilfe von NACHBAR IN NOT in der Ukraine. Umgesetzt werden die Gelder der Bundesregierung in Kooperation mit der Austrian Development Agency (ADA), der Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit.

1,7 Millionen Menschen erhalten Lebensmittel, Hygiene-Pakete, Unterkünfte, medizinische Versorgung und psychosoziale Unterstützung
In jeder Phase des Kriegs – von der ersten großen Fluchtbewegung über die Angriffe auf die Energie-Infrastruktur bis zur Zerstörung des Kachowka-Staudamms – haben die acht Hilfsorganisationen von NACHBAR IN NOT (Caritas, Rotes Kreuz, Arbeiter-Samariter-Bund, CARE, Diakonie, Hilfswerk International, Malteser, Volkshilfe) gemeinsam mit ihren lokalen Partnerorganisationen auf die dringendsten Bedürfnisse reagiert.
Insgesamt wurden so seit Februar 2022 bei den NACHBAR IN NOT-Hilfsprojekten mehr als 1,7 Millionen Menschen erreicht, davon
- 1,6 Millionen in der Ukraine
- 78.000 in der Republik Moldau
- 37.000 in Polen
- 23.000 in Rumänien
Die Hilfe durch NACHBAR IN NOT zielt darauf ab, unmittelbare Grundbedürfnisse abzudecken. Neben Wasser und Lebensmitteln sind das Hygieneartikel, medizinische Hilfsgüter und Versorgung, Unterkünfte und teilweise auch Bargeld-Unterstützung. Aufgrund der besonderen Betroffenheit von Müttern und ihren Kindern werden Babynahrung und Windeln zur Verfügung gestellt, ein spezielles Mutter-Kind-Haus und Kinderzentren wurden errichtet. Die Hilfsorganisationen statten sogenannte „child friendly spaces“ aus. Das sind sichere, kindgerechte Räume, in denen die Kinder spielen können und zudem psychosozial betreut werden. Neben psychologischer Unterstützung gibt es Rechts- und Sozialberatung für Betroffene in der Ukraine und den Nachbarländern.

Durch den gezielten Angriff auf die Energie-Infrastruktur und die Überschwemmungen nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms kommt es zu großflächigen Ausfällen der Strom- und Wasserversorgung. NACHBAR IN NOT stellt den Menschen Generatoren, Notstromaggregate und Öfen zur Verfügung, liefert Trinkwasser in die betroffenen Regionen und hat Wasser-Experten mit Ausrüstung entsendet, die Trainings für die Kolleg*innen vor Ort durchführen.
Ausblick: Der Bedarf an Hilfe steigt – NACHBAR IN NOT hilft weiter und bittet um Unterstützung
Ein Ende des Krieges in der Ukraine ist derzeit nicht in Sicht, vielmehr steht den Menschen ein weiterer kalter Winter – voraussichtlich mit Versorgungsproblemen bei Strom und Heizung – bevor. Viele Menschen haben nach wie vor keine Möglichkeit Geld zu verdienen, haben ihre Ersparnisse aufgebraucht und sind dadurch weiterhin auf Unterstützung mit Grundlegendem wie Lebensmitteln und Hygieneprodukten angewiesen. Auch die Nachfrage nach psychosozialer Unterstützung steigt stark. Die Hilfe von NACHBAR IN NOT geht weiter und wird noch einen langen Atem benötigen.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Schirmherr von NACHBAR IN NOT, bedankt sich bei all jenen, die gespendet haben sowie bei allen, die vor Ort ihren Beitrag leisten, um die ukrainischen Bevölkerung zu unterstützen: „Die Solidarität der Österreicherinnen und Österreicher mit den Menschen in der Ukraine ist enorm. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von NACHBAR IN NOT leisten vor Ort Außergewöhnliches, dafür gebührt ihnen unser Respekt. Ich bin Anfang des Jahres selbst in die Ukraine gereist und kann von meinen Gesprächen dort berichten: Die Hilfe aus Österreich, sie kommt an und sie ist wirksam! Was Österreich in der Ukraine leistet, wird dort wahrgenommen und wertgeschätzt. Und: Die Ukrainerinnen und Ukrainer zählen darauf, dass diese Hilfe auch eineinhalb Jahre nach Kriegsbeginn nicht abreißt.“

Andreas Knapp, Auslandshilfegeneralsekretär der Caritas Österreich und Vorstandsvorsitzender der NACHBAR IN NOT Stiftung, war Anfang August in der Ukraine und berichtet: „Auch wenn der Krieg in der Ukraine jetzt schon eineinhalb Jahre dauert, dürfen wir die Menschen dort nicht im Stich lassen. Bei meinem Besuch war ich beeindruckt vom Einsatz und Zusammenhalt der Menschen, denen unsere Unterstützung auch viel Hoffnung gibt. Ich habe vergangene Woche Kinder kennengelernt, deren Familien auseinandergerissen wurden. Sie können weder Kindergarten noch Schule besuchen. Psychosoziale Betreuung, die wir in sogenannten child friendly spaces bereitstellen, hilft ihnen dabei, einfach mal wieder Kind zu sein und ihre Sorgen ein wenig zu vergessen. Derzeit bereiten wir uns für den Winter in der Ukraine vor und müssen davon ausgehen, dass sich die Not der Menschen weiter zuspitzt. Unsere Hilfe ist dringend nötig und wir bitten die Österreicher*innen weiterhin um Unterstützung!“

Michael Opriesnig, Generalsekretär des Roten Kreuzes und Vorstand von NACHBAR IN NOT dankt allen Spender*innen: „Seit Februar vergangenen Jahres konnten wir 1,7 Millionen Menschen mit unserer Hilfe erreichen. Unser Dank gilt an dieser Stelle den Menschen in Österreich und auch der Bundesregierung, die mit fast 42 Millionen Euro die Spenden verdoppelt hat: Ohne diese beispiellose Solidarität und Spendenbereitschaft wäre der Einsatz von NACHBAR IN NOT in der Ukraine, der auch der bisher größte internationale Einsatz für das Österreichische Rote Kreuz ist, in diesem Ausmaß nicht möglich gewesen. Und er wird noch lange andauern. Wir erleben derzeit viele Krisen, aber eines ist klar: Wir sind weiterhin für Menschen in Not da und werden weiterhin da helfen, wo unsere Hilfe benötigt wird."

Lisa Zuckerstätter, ORF-Leiterin Humanitarian Broadcasting: „Der ORF ist die mediale Plattform von NACHBAR IN NOT und bietet der Hilfsaktion seit Beginn seine Medien und Kanäle, um möglichst schnell und breitenwirksam die Menschen in Österreich zu erreichen und zum Spenden zu motivieren. Auch aufgrund der Spendenbereitschaft der in Österreich lebenden Menschen konnte NACHBAR IN NOT bereits viel Gutes in der Ukraine tun – abseits des Kriegsgeschehens, wo von der Not vor allem Frauen, ältere Menschen und Kinder betroffen sind. Diese Hilfe darf nicht abreißen, weswegen wir weiterhin auf die Aktion ‚Hilfe für die Ukraine‘ aufmerksam machen wollen und den Fokus auf jene nicht verlieren wollen, die in den Kriegsgebieten oft im Hintergrund leiden.“
